Warum die Entbürokratisierung der Hilfsmittelversorgung notwendig ist?
Für die Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln zahlen die gesetzlichen Krankenkassen jährlich mehr als 9 Mrd. Euro.
Die Anzahl der Leistungserbringer (Sanitätshaus, Orthopädietechnik, HomeCare und Pflegeeinrichtungen) im Hilfsmittelbereich lag in 2019 bei 72.400 Unternehmen.
Die Präqualifizierung wird seit 2019 auf Antrag des Leistungserbringers von einer durch die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) akkreditierten Präqualifizierungsstelle durchgeführt.
Apotheker- und Hilfsmittelverbände fordern seit Jahren den Bürokratieabbau bei der Präqualifizierung. Aufwand und Nutzen dieses extrem bürokratischen Verfahrens sind für die betroffenen Unternehmen in keine vernünftige Relation zu bringen.
Im November 2022 beschloss der Staatssekretärsausschuss Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau eine Verbändeabfrage, um Potenziale für die Reduzierung bürokratischer Belastungen zu identifizieren.
Die im Januar 2023 über ein Online-Tool gestartete Abfrage und anschließende Aufbereitung der Ergebnisse führte das Statistische Bundesamt bis Mitte März 2023 durch.
Leider beteiligte sich keiner der betroffenen Leistungserbringer Verbände an der Abfrage.
Das extrem bürokratische und aufwendige Verfahren produziert nicht nur direkte Kosten, sondern auch einen sehr hohen Erfüllungsaufwand in Form kostbarer Arbeitszeit.
Präqualifizierungs-Zertifikate verursachen Gesamtkosten für betroffene Unternehmen von EURO 112 Millionen für den 5-Jahreszyklus oder EURO 22 Millionen im Jahr.
EURO GKV-Finanzierung für das seit 2008 etablierte Präqualifizierungsverfahren im deutschen Gesundheitswesen, um die Eignungsprüfung eines Leistungserbringers im Vorfeld einer Auftragsvergabe zu erlangen.
EURO Bürokratiekosten für Leistungserbringer alle 20 Monate. Für einen 5-Jahreszyklus des Präqualifizierungsverfahrens ergeben sich gesamt Bürokratiekosten von EURO 1.536.
EURO DAkkS Gebühren für eine Präqualifizierungsstelle, um die Akkreditierung bei der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) zu erhalten. Bei 13 akkreditierten Präqualifizierungsstellen ergeben sich Gebühren von EURO 350.000 pro Jahr.
Warum das Buch?
Im Frühjahr 2021 begann der Autor als Geschäftsführer bei einer von der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) akkreditierten Konformitätsbewertungsstelle (Präqualifizierung gemäß § 126 Abs. 2 SGB V).
Was zunächst als zweckmäßiges, nützliches und erfolgreiches Geschäftsmodell angesehen wurde, entwickelte sich im Laufe der Zeit zum bürokratischen Monster.
Die tägliche Arbeit richtet sich an verschiedenen Empfehlungen des GKV-Spitzenverband und den Vorgaben der DAkkS aus. Diese Anforderungen weichen so stark voneinander ab, so dass von Bürokratieabbau und guter Rechtssetzung nicht die Rede sein konnte.
Betroffenen Handwerksbetrieben oder Apothekern war die Notwendigkeit der Prüfung von Dokumenten, Nachweisen, Eigenerklärungen und sachlichen Anforderungen nicht zu vermitteln.
Für Leistungserbringer und Präqualifizierungsstellen ist das Verfahren eine Blackbox. Für den sinnvollen Einsatz von Beitragsgeldern im DAkkS Prüfsystem und der Förderung des Bürokratieabbaus, fehlen nach drei Jahren jegliche Empirie.
Das Buch erklärt das komplexe Ineinandergreifen unterschiedlicher Rechtsbereiche: Durch Gesundheitsrecht, Unionsrecht, Berufsrecht, Medizinprodukterecht und Wirtschaftsrecht haben sich sehr unterschiedliche Logiken und Ausrichtungen entwickelt. Es wird die betriebswirtschatliche GAP-Analyse eingesetzt, um alle wesentlichen Bereiche des Präqualifizierungsverfahren zu analysieren.
Die erste Auflage gibt betroffenen Unternehmen und sozialpolitisch Interessierten einen tiefen Einblick in das gesetzlich vorgeschriebene Präqualifizierungsverfahren.
Die Lösung.
In dem Kapitel "Lösung und Prognose" wird eine mögliche Gesetzesänderung beschrieben, um alle Defizite und unterschiedlichen Rechtsauffassungen zu beseitigen sowie den Weg zu einer modernen Gesundheitssystemforschung im Hilfsmittelbereich zu ermöglichen.
Um die Wettbewerbsfähigkeit der mittelständisch geprägten Leistungserbringer (Handwerk, Apotheke, Sanitätshaus) zu stärken, werden technische, syntaktische und semantische Standards für das Präqualifizierungsverfahren dargestellt.
Die Thesen.
Sieht man das Präqualifizierungsverfahren als untergesetzliche Normsetzung an, müssen Aspekte wissenschaftlicher Erkenntnisse, einschlägiges Expertenwissen und die Akzeptanz der Fachkreise Voraussetzungen für das Gesetzgebungsverfahren sein.
Der Gesetzgeber muss prüfen, ob die Hilfsmittelversorgung als spezialgesetzliche Regelung gilt, die einen Ausnahmetatbestand darstellt und ob die Hilfsmittelversorgung überhaupt nach dem Akkreditierungsrecht als zwingend unterfallende Dienstleistung anzusehen ist.
Das gesetzgeberische Handwerk rund um das praktizierte Präqualifizierungsverfahren für Hilfsmittelversorgungen in der gesetzlichen Krankenversicherung ist so schlecht, dass Wirtschaft und Verwaltung die Regeln inhaltlich nur schwer nachvollziehen können.
Empfehlungen und Kriterienkatalog des GKV-Spitzenverbandes müssen einem Genehmigungsvorbehalt durch das Bundesministerium für Gesundheit unterliegen und das federführende Ministerium muss seine Aufsichtstätigkeit ausüben.
Der parlamentarische Diskurs.
Im November 2022 wurde die Druckversion der GAP-Analyse dem Koordinator der Bundesregierung für das Referat Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau, den betroffenen Bundesministerien und allen Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien zur Verfügung gestellt, um den parlamentarischen Diskurs zu beginnen.
Das Bundesministerium für Justiz.
Bei der Verbändeabfrage zum Bürokratieabbau vom Januar 2023 durch das Statistisches Bundesamt im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz, wurde das Präqualifizieurngsverfahren von keinem Verband gemeldet.
Die Ergebnisdokumentation über die kategorisierten und priorisierten Einzelvorschläge vom April 2023 führt folgende Bereiche für das Gesundheitswesen auf.
✓ Onlinezugangsgesetz (OZG).
✓ Entschädigungsleistungen nach dem Infektionsschutzgesetz bei Quarantäne und Kinderbetreuung.
✓ Verhandlungen Krankenhaus-Pflegebudget vereinfachen.
✓ Familienversicherung von Kindern über 18 Jahren.
✓ Entbürokratisierung der HKP-Verordnung.
✓ Zuzahlungsbefreiung in der GKV.
✓ Zahnbonusheft.
✓ Abschaffung der Pflegepersonaluntergrenzenverordnung bei Einführung der Pflegepersonalregelung (PPR 2.0).
✓ Qualitätsberichte deutlich verschlanken.
✓ Liberalere Anerkennung von Qualifikationen ausländischer Fachkräfte.
✓ Harmonisierung der Zuzahlungsregelung für Heilmittelleistungen.
✓ Elektronische Beipackzettel (Medikamente).
✓ Abschaffung des Psych-Krankenhausvergleiches mit Streichung der Übermittlung der Psych-Personal-Nachweise und der Vereinbarungsdaten an das InEK.
✓ Abruf elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
✓ Strukturprüfung und MD-Qualitätskontrolle.
✓ Forschung im Gesundheitssektor.
✓ Ethik-Voten bei Klinischer Forschung.
✓ Mindestbemessungsgröße bei der Kranken- und Pflegeversicherung für Selbstständige mit der bei Angestellten (520 Euro) harmonisieren.
✓ Stationäre Qualitätssicherung deutlich verschlanken.
✓ Genehmigungsfiktion bei Überschreitung bestimmter Fristen.
✓ Reduktion der DEMIS-Meldepflichten (Bettenmeldungen).
✓ Strahlenschutz bei Klinischen Studien.
✓ Bei der Erstellung bürokratischer Vorgaben sollten auch die Betroffenen, die die Vorgaben tagtäglich dokumentieren müssen, Gehör finden.
✓ Vollerhebung weitestgehend durch Stichproben ersetzen.
✓ Beantragung Kurzzeit- und Verhinderungspflege.
Autor Thomas Bade
Geboren 1955 in Berlin.
Studium der Betriebswirtschaft Universität Hamburg.
Berufs- und Lebenserfahrungen wurden an sehr verschiedenen Wohnorten gesammelt: Berlin, Hamburg, New York, Stuttgart, Helsingborg, Bad Oldesloe und Eichstätt.
Nach der Ausbildung Tätigkeiten in verschiedenen Positionen im Marketing in Deutschland und den USA. Von 1989 bis 1996 Geschäftsführer einer Medizintechnik Firma und erste Auseinandersetzung mit dem deutschen Gesundheitssystem. Europa Repräsentant der amerikanischen Medizintechnik Firma Rehablicare Inc. in Schweden.
Für die Asklepios Kliniken GmbH & Co. KGaA von 2017 bis 2020 verantwortlich für den Bereich Business Development und Execution in den Geschäftsfeldern Entlassmanagement und HomeCare.
Von März 2021 bis März 2023 Geschäftsführer der Präqualifizierungsstelle HAWE-Systems GmbH in Röthenbach.
Jetzt als „Manager im Ruhestand“ verschiedene freiberufliche Tätigkeiten, u.a. Beratung für Patientenportale im Entlassmanagement, altersgerechte Quartiersprojekte, Validierung von GPT-Modellen und Informationsextraktion für GPT-Modelle.
Mitgliedschaft bei Transparency Deutschland e.V., Berlin seit 2015.
Mitgliedschaft beim Bundesforum Gesundheitsrecht e.V., Berlin seit 2013.
Publikationen
Hede K; da Silva T.; Bade T.: Das zertifizierte Management System Ermündigung zur Integration von Technik und Dienstleistungen, Conference: Zukunft Lebensräume - Kongress, 20.04.2016 - 21.04.2016 in Frankfurt/Main, Germany.
Korruption vs. Kooperation – Ein schmaler Grat, aut idem, Ausgabe 2015, carenoble.de.
Bade T., Hüfner O., Yvon M.: Datenmanagement technischer Assistenzsysteme im häuslichen Umfeld – Ermündigung von Familien und Akteuren, 8. AAL-Kongress 2015, VDE Verlag GmbH, Berlin-Offenbach, April 2015, 292-294.
Comprehensive Outcome Assessment in a shared care model and Budget Impact Analysis of therapeutic appliances for patients with diabetic foot disease: 2013; Academia.edu, San Francisco, CA 94104.
Sektorenübergreifende Versorgung unter Berücksichtigung prioritärer ambulanter Versorgungsstrukturen der Hilfsmittel- und HomeCare-Branche in Sachsen: 2014; Academia.edu, San Francisco, CA 94104.
Fraud Prevention in Germany; Why is the Government still amending the Wording of Law?, EUROPEAN HEALTHCARE FRAUD AND CORRUPTION NETWORK, Krakow, 2011.
Hilfsmittel- & HomeCare-Versorgung in Deutschland: Analyse des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes / Autor: Thomas Bade Hrsg. Salenus GmbH; 978-3-00-025142-9, 2008.
Musculoskeletal diseases and product warnings in product information provided by the computer industry; Versicherungsmedizin. 2002 Jun 1;54(2):90-1.
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